Weg von der Pauschalabfindung
Ehevertrag und Steuerrecht = Licht und Schatten
Das Recht ist nicht starr, sondern entwickelt sich stetig weiter. Wie eine solche Weiterentwicklung aussieht, lässt sich sehr schön an einem aktuellen Fall aus dem Familienrecht und dessen steuerlichen Folgen nachzeichnen.
Angehende Ehepartner haben vor Eingehung der Ehe oft den Wunsch, sich durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag abzusichern. Dazu werden hin und wieder Vereinbarungen dergestalt getroffen, gegen Zahlung einer Pauschalabfindung auf einen möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleich zu verzichten (sog. „abgekaufte Gütertrennung“). Der Steuerrechtler zuckt bei dieser Gestaltung zusammen, weiß er doch, dass hierin eine freigebige Zuwendung zu sehen ist, die der Schenkungsteuer unterliegt.
In Abgrenzung zu dieser steuerschädlichen Pauschalabfindung hat der Bundesfinanzhof nunmehr eine neue Variante entwickelt: Die nicht steuerbare Bedarfsabfindung (BFH vom 01.09.2021, II R 40/19, NJW 2022, 567). Der BFH formuliert das in seinem amtlichen Leitsatz zu dem besagten Urteil wie folgt: „Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind („Bedarfsabfindung“), liegt keine freigebige Zuwendung vor.“
Das sind gute Nachrichten für den Steuerpflichtigen und Notare und Vertragsgestalter tüfteln nunmehr eifrig an Formulierungen, die weg von der Pauschalabfindung und hin zur Bedarfsabfindung führen. Doch kein Licht ohne Schatten: Dem Fiskus ist die neue Wendung der Rechtsprechung ein Dorn im Auge. Seine Reaktion hierauf ist ein sog. Nichtanwendungserlass (gleichlautender Erlass vom 13.10.2022, veröffentlicht im März 2023). Hierin wird festgehalten, dass das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendbar ist. Das heißt: Selbst, wenn eine Bedarfsabfindung, die der BFH als nicht steuerbar klassifiziert, ausgezahlt wird, wird das Finanzamt sie dennoch der Besteuerung unterwerfen. Dem Steuerpflichtigen bleibt in diesem Fall nur der Weg zum Finanzgericht.